Another Decade of California Color: Charles Arnold & The Missing i
6. November – 27. November 2010
»History is very slippery when it’s such a long time ago«
(Frank Lloyd, Galerist in Los Angeles, Mai 2010)
Es geht um eine Fälschung. In einem Katalog zur Ausstellung »A Decade of California Color« in der New Yorker Pace Gallery vom November 1970 fand sich eine Seite, die einen Künstler namens Charles Arnold und ein ihm zugeschriebenes Kunstwerk zeigt, die beide nicht in dieser Ausstellung vertreten waren. Eine Retusche auf dem Umschlag der Katalogmappe hatte das »i« von Charles Arnoldi verschwinden lassen, welcher damals der »wahre« Teilnehmer der Ausstellung war.
Das verschwundene »i« war Ausgangspunkt für die Recherche der dreiköpfigen Künstlergruppe Galerie C&V, die im Mai 2010 nach Los Angeles und zu einigen der 1970 an der Ausstellung beteiligten Künstlern führte. Die Ergebnisse dieser Spurensuche bilden den Kern der Ausstellung »Another Decade of California Color« in der Galerie Dorothea Schlueter, die auf den Tag genau 40 Jahre nach der Ausstellung in der Pace Gallery stattfindet.
Ausgehend von der Retusche eines einzelnen Buchstabens, reflektiert die Ausstellung »Another Decade of California Color«, wie eine leicht verschobene Mikrogeschichte kalifornischer Kunst der 1970er Jahre hätte aussehen können. Dabei treffen sich drei Blickrichtungen: die zeithistorische von 1970, die sich erinnernde der damals Beteiligten und der Blick einer heutigen Generation, welcher sich den 1970ern nur als Teil der Kunstgeschichte nähern kann.
Die lose Gruppe der Künstler der historischen Ausstellung »A Decade of California Color« zeichnete sich durch ihre Vorliebe für makellose, handgefertigte Oberflächen und die damals neuen Materialien wie Kunstharz, Polyester oder auch Sprayfarben aus. Seit kurzem erlebt diese kalifornische Kunst, oft als »light and space art« oder »finish fetish« bezeichnet, ein Revival und wird in zahlreichen Retrospektiven gezeigt. So haben einige der Künstler begonnen, Repliken ihrer Arbeiten von vor 40 Jahren herstellen zu lassen. Erste Adresse für die Produktion kalifornischer Kunst ist dabei die Werkstatt von Jack Brogan. Galerie C&V hat nun in ebendieser Werkstatt, die Anfertigung des auf dem gefälschten Künstlerblatt von Charles Arnold abgebildeten Kunstwerks »Untitled, 1970, colored wax on glass« in Auftrag gegeben und befragt mit der Rekonstruktion der Arbeit des fiktiven Künstlers Charles Arnold das heikle Thema Autorschaft und Authentizität.
Als weitere Bestandteile der Ausstellung wird in einem Super-8-Film nicht ohne Ironie über mögliche Produktionsweisen bei der Herstellung des Kunstwerks von Charles Arnold spekuliert. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Klischee des surfenden Künstlers, das mit der kalifornischen Kunst der frühen 70er Jahre untrennbar verbunden ist.
Ein Video verbindet Fragmente aus Gesprächen mit Zeitzeugen und Beteiligten der Ausstellung »A Decade of California Color« zu fiktiven Gesprächen, die ausgehend von der Person Charles Arnold auch Themen wie die Selbstdarstellung von Künstlern damals oder das Rauchen als Vernebelungstaktik verhandeln.
Von dem Fotografen Jerry McMillan, der Wegbegleiter der damaligen kalifornischen Künstlerszene war, sind Kontaktabzüge zu sehen, die sich in Nuancen unterscheiden von jenen, die durch ihre Veröffentlichung in Zeitschriften wie Artforum zu Ikonen wurden.
Zur Eröffnung erscheint ein Faksimile-Reprint der gefälschten Katalogmappe. Diese Lose-Blatt-Mappe wird, als Edition in kleiner Auflage, im weiteren Verlauf der Spurensuche durch kommentierende Blätter anwachsen.
Als Galerie C&V arbeiten Alexander Mayer, Jo Zahn und Jörn Zehe seit 2008 zusammen. Die Gruppe entstand nach der gemeinsamen Organisation des Ausstellungsprogramms zum Thema »Copieren und Verfälschen« im Künstlerhaus Frise, Hamburg. 2009 führte Galerie C&V diese Reihe mit der Ausstellung »Kommentar als selber was« in der Kunsthalle Exnergasse (Wien) fort.