Súld
Anna Gudjónsdóttir und Alexander Rischer
6. September bis 12. Oktober 2013
Eröffnung 5. September 18 Uhr
An der Empore der Kirche in Meldeby hat S. Hinrichsen einen Bilderzyklus von der Erschaffung der Welt nebst Paradiesleben, Sündenfall und Co. angebracht, den Alexander Rischer fotografierte. Dabei steht das Bild der Genesis skandalöserweise auf dem Kopf, der Tag befindet sich also im unteren Bildteil. War der Maler Mitglied der “Schwarzen Schule”? Oder hat er sich die Trennung des grauen Urbrodems in Licht und Dunkelheit wie eine Morgenröte vorgestellt, die strahlend aufsteigt und die Nacht verdrängt?
Die Malerei von Anna Gudjónsdóttir kann man zeitlich kurz vor dem Augenblick dieser Entmischung der Elemente ansiedeln. Wirbelnd brausen Strudel grauer Massen durcheinander, in wild geschmeidigem Aufruhr, wie als seien sie einer Teilung von Licht und Dunkelheit jederzeit gewärtig.
Oder sind es doch eher Nebelschwaden? Zeigt diese Malerei jene Schemen, die ein übers Moor hastendes Kind sieht?
“Wenn es wimmelt vom Heiderauche / Sich wie Phantome die Dünste drehn / Und die Ranke häkelt am Strauche … Wenn das Röhricht knistert im Hauche …” In diesem Gedicht lässt Annette von Droste-Hülshoff (1842) einen Knaben übers Moor rennen. Schaurige Geister: der gespenstische Gräberknecht, die unselige Spinnerin, der diebische Fiedler Knauf, der den Hochzeitsteller gestohlen hat, und nicht zu vergessen die verdammte Margret sind ihm auf den Fersen. Er hat aber einen Schutzengel und erreicht festen Boden, es geht besser aus als beim Erlkönig, der sich das Kind bekanntlich gewaltsam holt in sein Nebelreich, von dem der reitende Vater freilich nichts wissen will, bis er grausend die mögliche Existenz von etwas derartigem realisieren muss.
Und was verbirgt sich in den spiegelnd lackierten roten Leinwänden? Sind es blutige Teiche? Gewebeproben? Oder ist es Lava? Wohnt hier ein weiterer Geist, ein weiteres Mitglied der “schwarzen Schule”? Ist dies etwa das Innere des Wals, in dem Jona den Sturm überlebte? Auf der Fotografie von Alexander Rischer, die Jona zeigt, hat der Wal eher das Format eines Mumienschlafsacks, in dem Jona aus dem Walmaul schauend auffällig unaufgeregt sein Abendgebet zu sprechen scheint.
In dieser Ausstellung mit Fotografien und Malereien liegen unzählige Fährten, über welche die Arbeiten der zwei Künstler miteinander verbunden sind. Als magisches Tertium der Ausstellung fungiert eine Zwei-Ton-Orgel: pro Künstler je eine Pfeife.